These boots are made for walking
Na ja, eigentlich sind das keine „Stiefel“, sondern „Orthesen“ oder Beinschienen. Und sie sind nicht nur zum Laufen, sondern auch zum Liegen, Sitzen und Stehen gemacht. Vielleicht habt ihr so was schon mal gesehen und euch gefragt, wozu man die braucht.
Die Spannung steigt
Normalerweise ist mein Körper ja eher schlaff, weil ich zu wenig Muskelspannung habe. Man sagt auch, der Muskeltonus ist zu niedrig.
Das liegt nicht daran, dass meine Muskeln zu schwach wären, sondern das kommt vom Gehirn, weil da die Steuerung nicht richtig funktioniert. Es würde also auch nichts helfen, ganz viel Bodybuilding zu machen.
Aber manchmal sind meine Arme und Beine gar nicht schlaff, sondern werden ganz steif. Dann mache ich eine Faust oder meine Füße werden ganz spitz. In diesen Momenten habe ich eine wahnsinnige Kraft, und Mama hat keine Chance, meinen Arm zu biegen, wenn sie mir zum Beispiel gerade den Pulli anziehen will. Dann ist der Muskeltonus zu hoch. Man spricht auch von einschießender Spastik.
Spastisch aber elastisch?
Das Wort „spastisch“ habt ihr bestimmt schon mal gehört. Oder vielleicht auch: „Ey, du Spast“ oder „Spasti“. Die meisten, die das sagen, wissen gar nicht genau, was das ist. Es ist auf jeden Fall kein Schimpfwort! Genauso wenig wie „Bist du behindert, oder was?“ Wenn ihr so was sagt, könnt ihr die Gefühle von Menschen verletzen, die selbst eine Behinderung haben oder jemanden sehr gut kennen, der eine hat.
Bei mir sind diese Spastiken, also das übertriebenen Anspannen der Arme und Beine, eher eine Nebenerscheinung. Hauptsächlich habe ich nämlich eine dystone Bewegungsstörung. Noch ein Fremdwort – dyston bedeutet einfach: mal zu viel und mal zu wenig Muskelspannung, jedenfalls nicht die richtige Menge.
Bei jemandem, der eine spastische Bewegungsstörung hat, die, genauso wie bei mir, durch eine Schädigung des Gehirns verursacht werden kann, sind alle Körperteile oft ganz verkrampft. Dann sind die Hände und Füße eigentlich immer in einer unnatürlichen Haltung, und irgendwann ist es unmöglich, sie noch in die ursprünglich vorgesehene Position zu bringen.
Und so ist es auch bei meinen Füßen. Wenn ich immer wieder die Füße komisch verdrehe und die Orthesen nicht regelmäßig anziehe, dann bleiben meine Füße irgendwann so krumm und schief und ich bekomme das, was man einen Klumpfuß nennt.
Wozu brauche ICH ein Korsett??
Und so ähnlich ist es auch bei meinem Rücken. Da liegt es aber nicht an der zu hohen, sondern an der zu niedrigen Muskelspannung, wenn ich eine Körperhaltung einnehme, die auf Dauer nicht gesund ist. Weil ich nämlich einfach zur Seite sacke, meistens zur rechten, und den Kopf hängenlasse, besonders, wenn ich müde bin oder mich gerade mit anderen Problemen herumschlage, zum Beispiel dem vielen Schleim. Und wenn man so zusammengesackt sitzt, bekommt man nicht gerade gut Luft und es ist noch schwerer, diesen Schleim loszuwerden.
Deswegen habe ich ein Korsett, das mich stützt, wenn ich sitze oder stehe, damit mein Rücken nicht irgendwann krumm wird. Mit dem Korsett bin ich gerade aufgerichtet, bekomme gut Luft, kann den Kopf viel besser oben halten und muss mich nicht damit abplagen, mich immer wieder aufzurichten. Zum Beispiel kann ich dann auch viel besser meinen Computer mit den Augen bedienen, das geht mit Wackelkopf nämlich nicht so gut, wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt.
Wo kommen die Orthesen her?
Eigentlich ist das Korsett auch eine Orthese, und zwar eine Rumpforthese. Und die für die Füße nennt man Unterschenkelorthesen. Es gibt alle möglichen Orthesen, sogar für die Arme und Hände. Orthesen werden ganz genau für jeden angepasst. Dazu wird erst mal ein Gipsabdruck gemacht. Dann werden die Orthesen gebaut und mehrmals anprobiert und verändert, bis es passt. Das kann einige Wochen dauern.
One of these days these boots are gonna walk all over you
… und irgendwann renne ich euch mit meinen Stiefeln über den Haufen!
Der lustige Mann, der die Orthesen für mich baut, sagt immer: So ein Korsett oder eine Schiene ist wie eine Zahnspange, nur für den Rücken, die Arme oder Beine.
Und deswegen trage ich sie so oft wie möglich. Denn auf Klumpfüßen kann man nicht laufen, und ich habe vor, in nächster Zeit ganz viel zu laufen. Aber davon erzähle ich euch ein andermal.
4 Gedanken zu “Meine Ritterrüstung und meine Siebenmeilenstiefel”
Ich finde deinen Blog sehr gut, er beschreibt genial die eigentlichen grossen Anstrengungen, die du mitmachst. Bin glücklich, dass es wenn auch in kleinen Schritten voran geht. Einen Schritt nach dem anderen. LG Michael
Lieben Dank! Da hast du Recht. Wir freuen uns über jeden noch so kleinen Schritt. 🙂
Wunderbar! Und ich wette, deine Orthesen sind auch super, um Leute zu treten, die „Spasti“ oder so sagen 😉
Definitiv! Treten kann ich gut 😉