Ich gehe richtig gern in die Krippe. Da ist immer was los, und die Erzieherinnen sind immer total nett und denken sich tolle Sachen für mich aus. Ganz besonders gern mag ich die Frau aus der Küche, und sie mich auch!
Auch die anderen Kinder kümmern sich ganz lieb um mich und sagen immer „Baby“ zu mir, dabei bin ich viel älter als die. Eigentlich wäre ich jetzt nämlich schon bei den Großen im Kindergarten.
Aber im Moment haben wir Ferien, oder so. Irgendwas hat das mit einer Krankheit zu tun, vor der alle Angst haben. Vor allem alte Leute. Deswegen besuchen wir die Oma nicht mehr, und der Opa kommt nicht mehr, um mir was auf seiner Gitarre oder seiner Ziehharmonika vorzuspielen. Nur ab und zu kommt er vorbei, um abzuholen, was die Mama für ihn eingekauft hat, und guckt zum Küchenfenster rein.
Zum Einkaufen darf ich auch nicht mehr mitkommen. Und wir gehen nicht mehr essen oder Kaffee trinken. Dabei bin ich so gern da, wo viele Menschen sind!
Eigentlich ist die Krankheit für Kinder gar nicht so gefährlich, aber bei mir weiß man das nicht so genau, weil bei mir eben alles ein bisschen anders ist und weil diese Krankheit noch so neu und unbekannt ist.
Deswegen bin ich jetzt fast den ganzen Tag zu Hause. Das Gute ist, dass wir auch nicht dauernd zu irgendwelchen doofen Terminen fahren müssen – zu Ärzten oder in Kliniken. Da haben wir viel mehr Zeit für alles, und Mama ist nicht mehr so gestresst wie sonst manchmal.
Was auch schön ist: es ist immer entweder Mama oder Papa bei mir – oder beide. Der Papa ist jetzt manchmal sogar vormittags da. Dafür kommt er dann aber erst abends ganz spät nach Hause. Das ist doof. Mit dem Papa kann man nämlich am besten rumtoben, und das mache ich am liebsten abends, da habe ich jede Menge Energie! Aber manchmal kommt er jetzt auch schon mittags von der Arbeit. Dann haben wir noch den ganzen Nachmittag und Abend zusammen! Das ist klasse!
Manchmal komme ich allerdings ein bisschen durcheinander und weiß gar nicht mehr, wann der Papa nun kommt und geht, und ab und zu muss ich dann heulen.
Zum Glück ist das Wetter meistens schön, und meine Eltern und ich gehen ganz viel draußen spazieren oder machen eine Radtour. Dann sitze ich in meinem Fahrradanhänger. Der ist ziemlich cool! Den kann man auch umbauen, dann können Mama und Papa damit joggen und mich schieben, man kann damit sogar im Schnee fahren!
Manchmal ist es mir aber ein bisschen zu langweilig, immer nur durch die Natur zu fahren, da sieht man zurzeit zwar auch mehr Leute als sonst, aber am interessantesten ist es in einer Stadt oder an einem Fluss oder so. Deswegen gehen wir dort auch manchmal spazieren und halten dann eben viel Abstand zu den anderen. Aber ich beobachte ja sowieso am liebsten alles von meinem Buggy aus.
Wenigstens darf ich meine Therapien noch machen. Nur dass wir nicht mehr ins Therapiezentrum fahren, sondern die Therapeutinnen zu uns nach Hause kommen.
Montagsmorgens geht es direkt los mit Ergotherapie. Das macht am meisten Spaß, denn da spielen wir meistens was Tolles. Ich soll dann immer greifen üben, was wirklich sehr schwer ist. Ich weiß genau, was ich machen will, aber meine Hände und Finger gehorchen mir nie richtig.
Dann kommt meistens noch eine Logopädin dazu, und wir üben zum Beispiel mit Bildkärtchen. Weil ich nichts sagen kann, schaue ich mit den Augen die Karte an, nach der sie fragt. Sie sagt: „Wo ist das Haus?“, und ich schaue auf die Karte mit dem Haus. Das macht auch immer Riesenspaß, und ich will immer noch mehr Karten machen!
Donnerstags kommt dann eine andere Logopädin, die mit mir das Schlucken übt. Das finde ich meistens nicht so toll. Vor allem, wenn sie mit ihren sauren Stäbchen an meinen Mund will. Am Mund – und vor allem im Mund – bin ich nämlich sehr empfindlich. Das liegt daran, weil ich als Baby weder an Mamas Brust noch an einer Flasche genuckelt habe. Und weil ich heute immer noch nichts esse – also nicht über den Mund, sondern nur durch den Schlauch im Bauch – bin ich es einfach nicht gewohnt, etwas im Mund zu haben. Natürlich wollen meine Eltern, dass ich irgendwann mal mit dem Mund esse. Und deshalb muss ich diese doofen Übungen über mich ergehen lassen.
Was wiederum sehr viel Spaß macht, ist das Turnen mit der Physiotherapeutin. Obwohl es auch ganz schön anstrengend sein kann. Aber eigentlich darf ich in der Physio das machen, was ich sowieso die ganze Zeit mache. Wenn ihr nämlich glaubt, ich würde nur rumliegen, täuscht ihr euch! Ich bin eigentlich immer in Bewegung. Was ich alles kann, könnt ihr hier lesen.
Und wenn ich was probiere, hilft die Physiotherapeutin mir ein bisschen dabei. Dann geht es viel besser. Aber leider immer noch nicht so, wie ich es gern hätte. Dann werde ich manchmal ganz schön ärgerlich! Im Moment üben wir die Rolle vorwärts mit Abstützen mit den Händen.
Wenn die Therapeutinnen zu uns nach Hause kommen, haben sie immer so ein komisches Stück Stoff vorm Gesicht, sodass alle aussehen wie Banditen und man gar nicht erkennen kann, wer es ist und ob sie lächeln oder nicht. Dann versuche ich manchmal, ihnen den Stoff wegzuziehen.
Letzte Woche hatte die Mama dann auch plötzlich so eine komische Maske auf und hat sogar mir eine aufgesetzt! Die hat meine Tante, Mamas Schwester, für uns genäht.
Das war ganz schön komisch mit dem Ding! Aber eigentlich fand ich es ganz lustig, dass wir jetzt alle aussehen wie Banditen!