Kann man positives Denken lernen?

Die Strategie, sich in Krisensituationen auf die positiven Aspekte zu konzentrieren und die negativen so gut es geht auszublenden, habe ich bisher ganz unbewusst angewendet. Schließt sich eine Tür, finde ich meist ganz schnell eine oder mehrere, die sich öffnen, statt auf die geschlossene Tür zu starren und mich zu ärgern oder daran zu verzweifeln.

Das ist natürlich eine Selbstmanipulation, die ich mir vielleicht angeeignet habe, weil sich in meinem Leben schon oft Türen geschlossen haben oder ich mich gezwungen sah, sie selbst zu schließen.

Aber aus der Verhaltenspsychologie weiß man, dass am Anfang jedes Gefühls die Gedanken stehen, die man bewusst verändern kann. Zunächst kommt man sich vor, als würde man sich selbst belügen, weil sich alte Glaubenssätze immer wieder durchsetzen. Man muss es sich regelrecht eintrichtern. Aber irgendwann sind einem die neuen, positiven Gedanken in Fleisch und Blut übergegangen, und dann folgen auch die Gefühle.

Übung

Auf einen Versuch käme es an: Nimm dir zwei Blätter. Auf das erste schreibst du alle negativen Aspekte deiner aktuellen Situation. Bezogen auf die Pandemie könnte das sein: wir können nicht essen gehen, das nervt, wir können uns nicht mit der ganzen Familie treffen, die steigenden Infektions- und Todeszahlen machen mir Angst…

Dann überlegst du dir zu jedem Punkt so viele positive Aspekte wie möglich: wir sind dafür jetzt viel mehr in der Natur, es wird jetzt langsam wärmer, da könnten wir mal ein Picknick im Grünen machen oder wieder Zeit im Garten verbringen und den vielleicht endlich mal vom Unkraut befreien…

Die Zahlen, die wir täglich vor den Latz geknallt bekommen, wirken, bezogen auf das ganze Land immer unvorstellbar hoch. Ich versuche schon lange nicht mehr, sie mir vor Augen zu führen. Such dir zur Abwechslung mal positive Statistiken: wie viele Menschen sind schon geimpft? Wie viele werden in den nächsten Monaten geimpft sein? Mittlerweile (Stand 18.04.2021) sind 5,5 Millionen Menschen vollständig geimpft, 15 Millionen haben zumindest die Erstdosis erhalten. Im Internet gibt es auch „Gute-Nachrichten-Ticker“ und ähnliches. 

Das heißt nicht, dass man vor negativen Nachrichten die Augen verschließen soll. Aber sie sollten einen nicht fertigmachen. Vor allem, wenn es sich um Dinge handelt, an denen man nichts ändern kann. Aktiv werden kann man natürlich immer, indem man z.B. andere in der Krise unterstützt. Das hilft nicht nur den anderen, sondern auch einem selbst, die Situation besser zu ertragen.

Im Englischen gibt es einen schönen, bildhaften Ausdruck, wenn man mit einem Thema gar nicht anfangen oder bestimmte Gedanken nicht zulassen will: Don’t (even) go there! Wörtlich übersetzt: geh gar nicht erst hin!

Das finde ich ein schönes Bild, das man sich vor Augen führen kann, wenn man bei bestimmten Gedanken zu viel negative Energie spürt: einfach nicht hingehen! Man könnte sich noch vorstellen, dass man die Tür zuknallt, hinter der jene Gedanken lauern.

Und deswegen nehmen wir jetzt auch den Zettel mit den negativen Aspekten und sperren ihn weg, verbuddeln ihn, verstecken ihn ganz hinten in der tiefsten Schublade oder verbannen ihn sonstwie aus unserem Sichtfeld. Wir zerstören ihn nicht, denn die negativen Aspekte gibt es ja auch noch, und irgendwie müssen wir mit ihnen leben, aber wir messen ihnen nicht so viel Bedeutung bei.

Den Zettel mit den positiven Aspekten hängen wir uns dahin, wo wir ihn möglichst oft sehen.

Notfallmaßnahmen

Oft überfallen negative Gedanken uns in Situationen, in denen wir ihnen nicht viel entgegenzusetzen haben. Bei mir ist das meist, wenn ich nachts wach werde und versuche, wieder einzuschlafen. Gerade dann ist es wichtig, nicht „hinzugehen“, denn in diesen Momenten hat man wirklich kaum eine Chance, die Probleme irgendwie aktiv anzugehen.

Mir hilft dann eine Übung, die ich aus dem Yoga kenne und die auch als „progressive Muskelentspannung“ bekannt ist: ich gehe im Geist jeden Teil meines Körpers von den Füßen bis hin zu den Gesichtsmuskeln durch und denke mir bei jedem: „Ich entspanne meine Füße. Meine Füße sind vollkommen entspannt“. Für mich ist aber die körperliche Entspannung in dem Moment eher Nebensache. Mir geht es darum, den Geist auf etwas zu lenken, damit er nicht ständig um dieselben düsteren Gedanken kreist. Jede Form von Meditation wäre hier also hilfreich, auch tagsüber.

Man kann sich auch auf den Atem konzentrieren und zum Einstieg erst mal mit jedem Ausatmen die negativen Gedanken rauslassen und etwas Positives einatmen, bis man irgendwann nur noch denkt: Ich (einatmen) atme (ausatmen).

Und letztendlich hilft tatsächlich auch Ablenkung, wenn man merkt, dass man gerade wieder ins Gedankenkarussell eingestiegen ist: sich ein unterhaltsames Video ansehen, etwas lesen, malen oder irgendwie kreativ werden oder was immer einem guttut!

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